Weder die Islamischen Föderationen noch die IGMG gehören zur sogenannten „Millî-Görüş-Bewegung“ oder vertreten sie. In einem Interview erklärt der IGMG-Vorsitzender, Kemal Ergün, dass sich die Wege der IGMG und mit ihr auch die der Islamischen Föderationen mit der Ideologie der Millî-Görüş-Bewegung getrennt haben. Ergün im Wortlaut: „Die Positionen aus Türkiye passten weder zur Lebensrealität in Deutschland und Europa noch waren sie religiös begründbar. Hinzu kam, dass unsere Gemeinden in Europa zunehmend pluraler wurden. Wir hatten längst nicht mehr nur türkiyestämmige Moscheebesucher und Mitglieder, sondern auch zunehmend Muslime mit unterschiedlichen Wurzeln und aus verschiedenen Kulturen. Dieser wachsenden Vielfalt galt es Rechnung zu tragen. Auch wenn es nicht offen ausgesprochen wurde, trennten sich die Wege. Aus diesen Erfahrungen heraus, legt die IGMG großen Wert auf ihre Unabhängigkeit – strukturell, formell und finanziell. […] Vor dieser historischen Entwicklung empfinde ich es als Beleidigung, wenn der IGMG unterstellt wird, sie werde aus der Türkei gesteuert oder sie wäre von der Türkei abhängig. […]“
In einem weiteren Interview erklärt Ergün: „Später wurden die Unterschiede zwischen unserer Gemeinschaft, die sich 1995 den Namen Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) gab, und der politischen Bewegung in der Türkei immer deutlicher. Für uns standen religiöse Dienste im Mittelpunkt, die sich an der hiesigen Lebensrealität und den Bedürfnissen orientieren. In der Türkei stand die politische Arbeit im Vordergrund. Ein respektvoller Dialog blieb jedoch weiterhin bestehen. Was sich änderte, war, dass die IGMG begann, sich nicht mehr als Gast oder Auswanderer anzusehen. Sie betrachtete sich zunehmend als einheimischen und festen Teil der Gesellschaft, in der sie aktiv war, und entwickelte eine eigene Perspektive. Das führte zu einer großen Differenz mit der Bewegung in der Türkei.“