Fachtagung der Islamischen Föderationen in Österreich am 26. Februar 2022
Die Tagung wird als Startprojekt gesehen. Es war das erste Mal, dass eine jener muslimischen Organisationen, die im Mittelpunkt politischer und medialer Debatten steht, sich zu einem offenen Austausch mit ihren Kritikern bereit erklärt hat.
In seiner Eröffnungsrede ist der Sprecher der Islamischen Föderationen in Österreich, Abdi Taşdöğen auf die jüngeren Entwicklungen nach dem Terroranschlag am 2. November 2020 sowie der sogenannten „Operation Luxor“ und deren Auswirkungen auf die muslimische Bevölkerung in Österreich eingegangen und die Wichtigkeit des Austausches mit den Akteur*innen und Expert*innen betont.
Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) Mag. Ümit Vural hat in seinem Impulsvortrag über den Weg der Muslim*innen in die österreichische Gesellschaft vor allem die positiven Aspekte des Zusammenlebens in einer offenen und solidarischen Gesellschaft hervorgehoben.
Binur Mustafi, Mitglied der Islamischen Föderationen und Vorsitzender der IRG Oberösterreich hat die Geschichte sowie den Wandlungsprozess der Islamischen Föderationen in Österreich zusammenfassend dargestellt. Darauf anschließend hat der Generalsekretär der IGMG, Bekir Altaş hingewiesen, dass der Entwicklungs- und Wandlungsprozess der Organisation ständig am Laufen ist und durch den Generationenwechsel selbstverständlicherweise andere Perspektiven und Werte priorisiert werden.
Im ersten Podiumsgespräch konnte Frau Mag. Lisa Fellhofer, Direktorin der Dokumentationsstelle Politischer Islam (DPI) krankheitsbedingt nicht teilnehmen. Aus diesem Grund fand das Gespräch mit dem Ehrenpräsidenten der IGGÖ Anas Schakfeh alleine statt. Er berichtete über die politischen Entwicklungen in Österreich sowie über seine Betroffenheit aufgrund der substanzlosen Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn im „Operation Luxor“, die schließlich eingestellt wurde.
Während der zweiten Podiumsdiskussion zum Thema „Islamische Föderationen in Österreich im politischen Fokus“ mit Bekir Altaş, Dr. Thomas Schmidinger, Dr. Jörn Thielmann, Prof. Dr. Mouhanad Khorchide und Heiko Heinisch wurden vor allem die (zum Teil unbegründeten) Vorwürfe der DPI gegenüber den Islamischen Föderationen in Österreich und weiteren Organisationen lautstark kritisiert. Auf der anderen Seite wurde ebenfalls diskutiert, inwieweit die Wandlung der Islamischen Föderationen in Österreich nach Außen sichtbar ist. Dazu gab es eine sehr klare Stellungnahme von Dr. Schmidinger, “Es gibt eine mehrstufige Entwicklung in IGMG in Europa insgesamt. Es beginnt in den 80er-Jahren mit der Kaplan-Bewegung. Es geht dann weiter, dass zu Beginn der 2000er-Jahre einerseits den ersten Generationenwechsel gegeben hat und andererseits im Zusammenhang mit den politischen Entwicklungen in der Türkei Änderungsprozesse weiterentwickelt worden sind. Das hat dazu geführt, dass die europäische Dachorganisation viel bedeutender geworden ist, als die Mutterorganisation in der Türkei. Nach dem Tod des Gründervaters Erbakan im Jahr 2006, distanzierte sich die jüngere Generation in Europa auch innerhalb der Organisation von den problematischen Inhalten des Gründervaters. Parallel dazu diversifizierten sich die Mitglieder der einzelnen Moscheeverbände innerhalb der IGMG-Bewegung in Deutschland und Österreich sowohl politisch als auch kulturell. Die Absplitterung der Mitglieder führte zur organisationspolitischen Überlegungsfrage, Politik von Religion zu trennen. Dieser Prozess ist sehr interessant, da sich damit eine Säkularisierung im Sinne von Trennung einer religiöser und politischer Struktur entwickelt hat, ohne dass sie von Säkularisten vorangetrieben wird. Damit würde ich tatsächlich sagen, das die IGMG heute am wenigsten von einer politischen Partei in der Türkei abhängig ist.”
Abdi Taşdöğen bestätigte nochmals, dass „Den verstorbenen Prof. Dr. Necmettin Erbakan werden wir für seinen bedeutenden Beitrag zur Weiterentwicklung der Gemeinschaft weiterhin loben, doch wir werden uns mit seinen Äußerungen auseinandersetzen, die eine Differenz zu den Islamischen Föderationen bzw. zur IGMG darstellen.“
Die Moderation der Podiumsdiskussionen übernahm Sandra Szabo, vom ORF-Religionsmagazin „Orientierung“. Mit Ihrer Expertise und Objektivität sorgte Frau Szabo für eine stimmige Atmosphäre während der Diskussionen. Von allen eingeladenen Gästen wurde einstimmig betont, wie wichtig die positive Atmosphäre, die Offenheit für Diskussion und der erste Schritt des Miteinanders für die Gesellschaft ist und es gab den Wunsch, dass dieses Format auf jeden Fall fortgeführt werden soll.